Das Melonenmassaker

 

Zur einmaligen Performance DIE ALTEN TANZEN NICHT MEHR – ABER AUCH NICHT WENIGER
von Uwe Schmieder und Kollegen im Ackerstadt Palast

 

Die Performance ist Einblick in die diversen Höllen und Abgründe des Uwe Schmieder. Zitatenkonvolut,  Informationsüberflutung in Musik, Text, Video und:  Melonen. Zeitgleich und nahezu ohne erkennbaren Bezug zueinander. Lautréamont, Müller, de Sade die zitierten Fixsterne seines Gedankenkosmos. Mit jedem Augenblick gibt er von allem. Ein unablässiger, schier ewiger Mahlstrom aus emotionaler und gedanklicher Überladung. Erstellt in rekordverdächtig kurzer Pro­benzeit. Ein Status Quo ohne Entwicklung oder Veränderungen, die dramaturgisch begründbar wären. Überwiegend laut dröhnend die Musikzitate, schreiend zumeist die Ak­teure. Eine chaotisch, anarchische, unbändige Kraft. Auf sich selbst gerichtet, auto-destruktiv. Ein Staccato der Obsessionen.

Schmieder, im Kostüm eines devoten Fetischsklaven, zwischen, aber halb oberhalb der Zuschauertribüne sitzend, eine Sadismus - Masochismus - Orientierung auch gegenüber dem Publikum munter vorzeigend, dominiert überhitzt, hängt sich am Ende folternd selber kopfüber zappelnd auf. Dagegen unterkühlt distanziert, die Zitatenstimme Nicole Janze, die ganz kleine Lichter setzt, fast ein Fremdkörper.
Zentral vor den Zuschauern das „Paar“ (Anete Colacioppo & Andreas Uehlein) in unablässiger Paarung, unablässiger Liebkosung, ein Ringkampf des Streichelns und Begehrens, nahezu stumm, ein Kraftakt der Libido, ein einziger Tanz der Geschlechter, der auch nach dem Ende der Performance und den enteilten Zuschau­ern scheinbar ewig weitergeht. Zwei monologische Einlagen von Matthias Seier zur Frage, was Böse sei. Antwort: Alles.
Dieses „Böse-Böse!“ Zitat auch in dem Videoclip, im Ankündigungstext und von großer kindlicher Naivität. Reflektionsarm, aber geradezu katholisch. Weniger Selbstschutz, mehr sich selbst erfüllende Prophezeiung, selbstgefällig.

Das Böseste, was an diesem Abend tatsächlich zelebriert wird, ist das unablässige, zeremonielle Schlachten von rund zwei Duzend völlig unschuldigen Wassermelo­nen auf einer schafottartigen Wurzel hinter dem Liebespaar durch einen stark übergewichtigen, aber schwach bekleideten Mann, dem Melonenhenker. Das Massaker, welches dieser Samurai über einer Plastikfolie anrichtet, wird zum Fruchtfleisch­blutbad, er schleudert die zermanschten Teile in den Raum und träufelt sie über das immer nassere Paar.

Die Performance unablässig von drei Musikern per Tonteppich begleitet: Dieter Kölsch an der Trommel, Erik Drescher (Querflöte) und Ludowiko Köhler (Gitarre).

Beim Publikum einige, wenige Abgänge während des eineinhalbstündigen Abends, genrebedingt, da­nach Applaus, aber die Performer verbeugten sich nicht vor ihrem Zuschauern, ein Livevideo zeigte sie entspannend im Foyer. Der alter, notwenige Untergrund des Uwe Schmieders tobt anarchisch: „Volker, hört die Melonen!“ Doch die zer­störten, toten Melonen, die Schweigen in Ewigkeit. Eine Störung des Sinnzusam­menhanges, egal, ob der inszeniert oder nur unterlaufen ist.

 

Carl Ceiss, 6/2018


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